Vorsicht, bissig!
Wenn Kinderbisse nicht nur weh tun – sondern gefährlich werden können

Vorsicht, bissig!
Wenn Kinderbisse nicht nur weh tun – sondern gefährlich werden können
Ein Blogbeitrag für Eltern, Fachkräfte und alle, die Kinder schützen und verstehen wollen
„Mama, der Paul hat mich gebissen!“ Ein Satz, den viele Eltern oder Betreuungspersonen irgendwann hören. Meist ist die Aufregung groß – aber oft wird die Situation schnell wieder abgetan. Ein Streit unter Kindern, ein kleiner blauer Fleck, ein Pflaster drauf – und weiter geht’s. Doch so harmlos ein Biss im ersten Moment auch wirken mag: In manchen Fällen ist er mehr als nur ein kindlicher Impuls. Er kann der Anfang einer gefährlichen Infektion sein.
Was viele nicht wissen: ein Biss von einem anderen Kind kann medizinisch bedenklicher sein als ein Tierbiss. Und er ist oft auch ein Signal – für Überforderung, Stress oder unausgesprochene Bedürfnisse.
Warum Kinder beißen – und was dahinter steckt
Kinder beißen nicht, weil sie „böse“ sind. Vielmehr ist das Beißen in frühen Entwicklungsphasen ein Ausdrucksmittel. Wenn Sprache noch nicht ausreicht, um Gefühle wie Wut, Eifersucht oder Unsicherheit zu benennen, greifen Kinder manchmal zu anderen Mitteln. Beißen ist dann ein Ventil – ein Versuch, sich mitzuteilen oder in einer Situation zu behaupten.
Besonders in Gruppen – etwa in Kitas oder bei Tageseltern – treten solche Situationen häufiger auf. Sie sind belastend für alle Beteiligten, aber auch ein Anlass, genauer hinzuschauen: Was hat das Kind bewegt? Was war der Auslöser? Wie kann ich helfen, solche Situationen künftig zu verhindern?
Das medizinische Risiko: kleine Wunde, große Gefahr
Was viele unterschätzen: Der menschliche Speichel enthält eine Vielzahl von Bakterien. Wenn ein Biss die Haut verletzt, können diese Bakterien ins Gewebe eindringen – mit ernsthaften Folgen. Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) entzünden sich menschliche Bisswunden sogar häufiger als Bissverletzungen durch Hunde oder Katzen.
Dr. Monika Niehaus, Sprecherin des BVKJ, warnt: „Verletzungen durch Kinderbisse sollten vom Kinder- und Jugendarzt untersucht werden – besonders dann, wenn die Haut durchbrochen wurde.“ Betroffen sind häufig besonders empfindliche Stellen wie das Gesicht oder die Hände – dort, wo die Haut dünn ist und sich Infektionen schnell ausbreiten können.
Was tun bei einem Biss? Schritt für Schritt richtig reagieren
Wenn ein Kind gebissen wurde, ist schnelle und sorgfältige Hilfe gefragt:
- Eigene Hände waschen, ggf. Einmalhandschuhe tragen.
- Wunde unter fließendem, lauwarmem Wasser 3–5 Minuten spülen, mit pH-neutraler, unparfümierter Seife.
- Nicht reiben! Das würde das Gewebe zusätzlich schädigen.
- Blutung stillen – mit einem sauberen Tuch und leichtem Druck.
- Die betroffene Stelle hochlagern, um die Durchblutung zu verringern.
- Kinderarzt aufsuchen, insbesondere bei:
- durchgebissener oder gerissener Haut,
- Schwellungen, Rötungen oder Fieber,
- unklarem Tetanus-Impfschutz.
Impfpass mitnehmen – Tetanus nicht vergessen
Ein oft übersehener, aber wichtiger Aspekt: der Impfstatus.
Gerade bei offenen Bisswunden sollte sichergestellt werden, dass das Kind einen vollständigen Tetanusschutz hat. Nach der Grundimmunisierung im Säuglingsalter erfolgen Auffrischimpfungen im Vorschulalter (etwa mit fünf bis sechs Jahren) und erneut zwischen dem elften und 18. Lebensjahr. Im Zweifelsfall: Impfpass mit zum Arzt nehmen!
Und das beißende Kind?
Auch für das Kind, das gebissen hat, braucht es eine einfühlsame Begleitung. Strafe oder Beschämung helfen nicht weiter. Wichtiger ist es, gemeinsam zu verstehen, warum es zum Biss kam. Was hat das Kind gebraucht, aber nicht bekommen? Welche Alternativen könnte es beim nächsten Mal haben?
Besonders wenn ein Kind wiederholt beißt, ist es sinnvoll, das Verhalten im Gesamtzusammenhang zu betrachten – gemeinsam mit Fachkräften, eventuell auch mit Unterstützung durch eine Frühförderstelle oder Beratungsstelle. So kann man dem Kind helfen, gesunde Formen des Ausdrucks zu entwickeln – und weitere Vorfälle vermeiden.
Was Betreuungspersonen und Eltern jetzt tun können
Nach einem Bissvorfall braucht es mehr als nur eine medizinische Versorgung. Es braucht Gespräche – auf Augenhöhe und ohne Schuldzuweisungen.
Eltern und Fachkräfte sollten sich gemeinsam fragen:
- Was ist passiert?
- Wie wurde die Situation bisher begleitet?
- Welche Unterstützung braucht das betroffene Kind – und welches das beißende?
- Gibt es Muster oder wiederkehrende Auslöser?
Diese Reflexion ist nicht immer leicht. Aber sie ist der Schlüssel für mehr Sicherheit und ein vertrauensvolles Miteinander.
Fazit: Jeder Biss ist ein Signal
Ein Biss unter Kindern ist keine Bagatelle – weder medizinisch noch emotional. Er kann Ausdruck innerer Not sein und sollte mit Achtsamkeit und Respekt behandelt werden. Eltern und Fachkräfte stehen hier in gemeinsamer Verantwortung – nicht nur, um Infektionen zu vermeiden, sondern um Kindern zu helfen, Wege zu finden, die ohne Schmerzen funktionieren.
Denn jedes Kind verdient Schutz – und eine liebevolle Begleitung, wenn es seine Welt (noch) nicht in Worte fassen kann.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ob als Elternteil, Pädagog*in oder Pflegekraft – wir freuen uns über Ihre Gedanken, Fragen oder Perspektiven. Schreiben Sie uns gerne an info@sinpress.de – für mehr Austausch, Verständnis und Sicherheit im Umgang mit herausfordernden Situationen.
Denn: Jeder Biss hat eine Geschichte. Und jedes Kind verdient, dass wir sie verstehen.
Quellen und Literatur:
- dpa-tmn / Dr. Monika Niehaus, BVKJ (2016): „Bisse anderer Kinder können zu Infektionen führen“
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte – www.kinderaerzte-im-netz.de
- Robert Koch-Institut: Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche STIKO-Impfkalender 2025 (PDF)
Über den Autor
Aktuelles vom siNpress®-Team.
16.5.2025